Durch Danubistan. Vierter Teil: Der Altersruhesitz
Nur ein Kilometer musste geradelt werden, dann war gleich hinter Passaus Innstadt Österreich erreicht. Gefühlt also war nun das Ziel schon deutlich näher als noch in Passau, auch wenn noch nicht einmal die Hälfte des Weges hinter mir lag. Doch in meiner Vorstellung teilt sich Österreich inzwischen wesentlich in „Berge“ und „Wiener Umland“, und weil hier keine Berge standen, musste das hier Teil des Umlands und deshalb Wien nahe sein. Auch Entfernungen sind eben nicht unbedingt objektiv bemessbar.
Zwanzig Kilometer weiter Richtung Wien erhob sich dann das hier aus der Donau:
Dieses zierliche Bauwerk ist das Kraftwerk Jochenstein, das sich Deutschland und Österreich teilen (den gewonnenen Strom auch), denn die Grenze läuft dort mitten durch die Donau. Natürlich wollte das Monstrum erkundet sein, also fuhr ich auf seiner Mauerkrone entlang, betrachtete es eingehend, überquerte dabei den Fluß und landete doch noch einmal kurz in Deutschland, womit ich plötzlich wieder weit weg war von Wien.
Dafür kam ich unverhofft dem Etappenziel Linz schon recht nah, denn der Architekt des Kraftwerks, Roderich Fick (er hieß wirklich so), hinterließ eben dort auch deutliche Spuren. In Linz sogar schon einige Jahre früher, zu Großdeutscher Zeit. Wohingegen das Kraftwerk Jochenstein zwar so aussehen mag, als sei es von den Nazis geplant worden, aber erst in den persilreinen 50ern vom ehemaligen, natürlich völlig unpolitischen Lieblingsarchitekten des Führers, eben Herrn Fick, errichtet wurde – seinen Geschmack hatte augenscheinlich niemand entnazifiziert.
Reden wir aber erst einmal nicht mehr vom Architekten Fick, dazu sind die Naturwerke zwischen Passau zu schön, als daß man sich mit solchen Leuten aufhielte.
Ganz besonders gelungen ist die Schlögener Schleife, wo sich die Donau voller Wonne in eine kriminell steile S-Kurve wirft. Den Ausblick auf die grünen Hügel links und rechts des wilden Parcours‘ genoß ich ohne jede Ablenkung, ohne auf den Weg achten zu müssen, denn die Schleife durchfuhr ich mit der Radfähre, was zwar geschummelt sein mochte, mangels Weg am Nordufer aber fast unausweichlich war.
Und weil’s so schön war, gönnte ich mir einige Kilometer weiter gleich wieder eine Fähre (die hätte ich umgehen können, aber was soll’s) und fuhr dann vorbei am Schloss Neuhaus, das vor langer Zeit für einige Jahre dem reichen Georg gehörte – in gewisser Weise war ich also schon wieder zurückgekehrt nach Bayern, aber das wusste ich natürlich noch nicht, als ich dort vorüberkam.
Doch auch die schönsten Dinge finden irgendwann ihr Ende – so auch diese Etappe. In Linz nämlich, wie ja schon erwähnt. Über Linz lässt sich an Gutem sagen: Es liegt auf dem Weg nach Wien. Ich traf dort wieder auf sie, die einen Tag ausgesetzt hatte und mit dem Zug vorausgefahren war. Und der Hauptplatz ist recht schön, wenn man auf Mozartkugelarchitektur steht oder sich wenigstens nicht allzu sehr daran stört.
An Schlechtem lässt sich deutlich Schwerwiegenderes gegen Linz ins Feld führen: Der Führer wählte es als seinen Altersruhesitz, weil er es von seiner Jugend her kannte und weil es ihm so gut gefiel. Dafür kann Linz natürlich nichts und dazu kam es ja auch nicht, denn seine Altersruhe hat der österreichische Gefreite bekanntlich nicht mehr erlebt. Aber eine Stadt, die solchen Leuten gefällt – also, ich weiß ja nicht, das kann eigentlich keine tolle Stadt sein. Ist es auch nicht. Es könnte sicher schlimmer sein, hätte zum Beispiel der Herr Fick sein Bauprogramm hier in Linz schneller und weiter vorantreiben können. Doch nur weil es schlimmer sein könnte, ist es halt noch lange nicht gut, dieses Linz.
Vor allem nicht an einem Montagabend, wenn man auf der Durchreise ist und Hunger hat. An Montagabenden erweist es sich im deutschen Kulturraum recht zuverlässig, ob eine Stadt Provinz ist oder Welt. Linz ist Provinz (sonst hätte es dem Führer sicher auch nicht so gut gefallen). Fünf Restaurants suchten wir nacheinander auf, vier hatten montags Ruhetag, eines hatte Betriebsferien. Dann gingen wir in einen Supermarkt, kauften dort unser Mahl und setzten uns zum Essen auf den Spielplatz neben dem Supermarkt. So isst man in Linz. So ist Linz!
Zum Glück hatten wir schon vorher keine großen Erwartungen gehabt, weshalb wir auch nur eine Übernachtung gebucht hatten. Zum Glück konnten wir Linz also schon am nächsten Morgen schnell hinter uns lassen. Und wir werden nicht zurückkommen, das schwöre ich; sollten wir diese Tour noch einmal machen, wir werden Linz umfahren. Altersruhesitz? Friedhof!
Die Bergwanderer
Wenn Du bei mir bist, geht’s mir besser!
Auch in Wien gibt’s Bier wie Gösser.
Und Arbeit lässt sich für Dich finden.
Dei‘ Energie ist nicht am Schwinden.
Als Spinne hab ich Dich umgarnt.
Sag nicht, ich hätt‘ Dich nie gewarnt.
Es bleibt uns noch viel Leben!
Will mit Dir in die Berge streben.
Das Leben ist nicht immer eben.
Hab Garn um für uns 2 zu weben.
Bei Dir kann ich ruhig verweilen.
Du hältst mich sicher in den Seilen.
Statt durch den Weg zu eilen
Mach ich jetzt schöne Meilen.
Mach bei mir nicht kurz Halt!
Ach, Liebster: komm bitte bald.